LIH

Schematische Darstellung eines Glioblastoms, eines aggressiven Hirntumors.

Beim Glioblastom (GBM) handelt es sich um eine äußerst aggressive Form von Krebs, die sich im Gehirn entwickelt und den Betroffenen eine durchschnittliche Überlebenszeit von nur 12-18 Monaten gewährt. Und das, obwohl eine ganze Reihe von Behandlungen zur Verfügung stehen, darunter chirurgische Eingriffe, Bestrahlung und Chemotherapien. Das Problem ist, dass es mit den derzeitigen Mitteln praktisch unmöglich ist, das Nachwachsen der betroffenen Tumore zu verhindern.

Auf der Grundlage der jüngsten Ergebnisse des Teams von Dr. Anna Golebiewska, Gruppenleiterin des NORLUX Neuro-Oncology Laboratory am Luxembourg Institute of Health (LIH), haben die Forscher eine umfassende Überprüfung der vorhandenen Literatur zu diesem Problem vorgenommen, um neue Erkenntnisse über mögliche Behandlungsstrategien zu gewinnen.

Eine äußerst vielfältige und plastische Population von Zellen

Das Problem bei GBM-Tumoren ist, dass sie alles andere als einfach sind. Sie enthalten eine äußerst vielfältige Population interagierender Zellen, darunter auch solche, die Eigenschaften von Stammzellen haben, also Zellen, die sich in unterschiedliche Zelltypen verwandelt können. Die Überwindung dieser "Heterogenität" innerhalb eines Tumors ist schon schwierig genug.

Vor kurzem wurde zudem festgestellt, dass GBM-Zellen die Fähigkeit besitzen, ihr Aussehen und ihre Funktion je nach ihrer Umgebung zu verändern. Diese "Plastizität" der GBM-Zellen in Verbindung mit ihrer inhärenten Behandlungsresistenz macht sie zu einem perfekten Feind, der sich anpassen und verändern kann, um potenzielle Bedrohungen zu vermeiden.

Ein neuer Ansatz für die Bekämpfung ist nötig

Yahaya Yabo, Hauptautor der Studie, erklärt: " Die verschiedenen Zellen interagieren dynamisch miteinander und mit dem umgebenden Gehirn, um ein flexibles Tumor-Ökosystem zu bilden, das eine rasche Anpassung an externe Einflüsse einschließlich der Behandlung ermöglicht". Er schlägt daher vor, dass es an der Zeit ist, einen neuen Ansatz für die Bekämpfung des GBM zu entwickeln. Wenn seine Hauptstärke die Fähigkeit ist, sich umzuwandeln und zu tarnen, dann sollte dies vielleicht das Angriffsziel sein, das es anderen Behandlungen ermöglicht, auf einen enttarnten Feind einzuwirken.

"Die Bekämpfung des GBM erfordert, dass man auf die dynamischen Zustände und nicht auf einzelne Entitäten abzielt", betont Professor Simone Niclou, Direktorin des Department of Cancer Research am LIH. "Weitere Studien sind erforderlich, um die Triebkräfte für die Plastizität und das Entgehen der Behandlung aufzudecken. Dabei sollte untersucht werden, welche Veränderungen schnell und reversibel sind und welche lange nach der Behandlung in den Tumoren verbleiben". Dies sollte dazu beitragen, die verschiedenen Ausweichmechanismen in Tumoren zu identifizieren, was in Zukunft möglicherweise gezieltere Behandlungsansätze für Patienten ermöglicht.

"Wirksame Medikamente gegen ein bewegliches Ziel entwickeln"

Insgesamt zeigt die Studie einen Paradigmenwechsel in der Art und Weise, wie Forscher die Behandlung von GBM und anderen aggressiven Tumoren angehen sollten. Die verbleibende Frage, die zweifellos Gegenstand zahlreicher künftiger Forschungen sein wird, ist, welche der vielen potenziellen therapeutischen Möglichkeiten wirksame Waffen in ihrem Arsenal sein könnten. Wie Dr. Golebiewska zusammenfasst: "Es sind große Anstrengungen erforderlich, um die molekularen Mechanismen und Regulatoren der GBM-Plastizität zu entschlüsseln und wirksame Medikamente gegen ein bewegliches Ziel zu entwickeln.“

Die Studie wurde am 21. Dezember 2021 in Neuro-Oncology, einer renommierten Zeitschrift der Oxford University Press Publikationsgruppe, unter dem vollständigen Titel “Cancer cell heterogeneity and plasticity: A paradigm shift in glioblastoma” (DOI: 10.1093/neuonc/noab269) veröffentlicht. Die Publikation wurde von der Redaktion für ein Podcast-Interview ausgewählt, das unter https://soc-neuro-onc.libsyn.com/glioblastoma-cell-heterogeneity-and-plasticity verfügbar ist.

Autor: LIH
Editor: Michèle Weber
Bild: LIH

Infobox

Finanzierung und Kooperationen

Diese Studie wurde durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizont 2020 der Europäischen Union im Rahmen der Marie-Skłodowska-Curie-ITN-Initiative "GLIOTRAIN" unterstützt [Vereinbarung Nr. 766069]. Die Forschung wurde auch teilweise durch eine interne Finanzierung des LIH durch das luxemburgische Ministerium für Hochschulwesen und Forschung (MESR) unterstützt.

Kontakte

Wissenschaftlicher Kontakt

Dr. Anna Golebiewska
NORLUX Neuro-Oncology Laboratory Department of Oncology Luxembourg Institute of Health
E-mail: anna.golebiewska@lih.lu


Pressekontakt

Arnaud D’Agostini
Head of Marketing and Communication Luxembourg Institute of Health
Tel: +352 26970-524
E-mail: arnaud.dagostini@lih.lu

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